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Zwischen Motivation und Frustration in der Flüchtlingshilfe
Seit mehreren Jahren engagieren sich Integrationslotsen und Ehrenamtliche im südlichen Emsland für Zuwanderer und Flüchtlinge, um den Prozess der gesellschaftlichen und beruflichen Integration zu fördern. Inzwischen haben sich die Aufgaben und Schwerpunkte der Arbeit natürlich verändert: standen zunächst viele elementare Probleme im Vordergrund (Unterbringung, Ausstattung der Wohnung, Mobilität, Kindergarten und Schule, Sprachkurse), so konzentrieren sich die Menschen jetzt vor allem auf die Entwicklung von Zukunftsperspektiven, insbesondere die Suche nach adäquaten Ausbildungs- und Arbeitsplätzen steht vielfach im Vordergrund.
22 Integrationslotsen und Ehrenamtliche aus Spelle, Lingen, Salzbergen und Emsbüren diskutierten im Rahmen einer Wochenendtagung über Erfolge und Frust, über sehr unterschiedliche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Behörden und Ämtern und über Verbesserungsmöglichkeiten etwa in der Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche durch Arbeitsagentur und Jobcenter. Organisiert wurde die Veranstaltung im Exerzitienhaus der Franziskanerinnen in Fürstenau von den Speller Lotsen/ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung Lingen (KEB).
Viele einzelne Problembereiche wurden thematisiert: die schwierige Wohnungslage vielerorts, Mobilitätsprobleme vor allem in den Gemeinden aufgrund eines unzureichend ausgebauten ÖPNV (zu Ämtern, Ärzten/Krankenhäusern oder zur Tafel müssen die Ehrenamtlichen oftmals einen Fahrdienst einrichten), Probleme beim Zugang zu Sprachkursen vor allem für Mütter oder die z. T. inakzeptabel langen Wartezeiten im Anerkennungsverfahren und Dauer und Verfahren bei der Familienzusammenführung. Positiv entwickeln sich dagegen die Chancen, einen Krippen- oder Kitaplatz zu bekommen. Zu klären sind kurzfristig die Perspektiven junger Geflüchteter nach dem Auslaufen des Sprint Programms an den Berufsschulen im Sommer.
Zugleich wurden aber auch grundsätzliche Themen aufgegriffen: engagiert sich die Bundesrepublik (auch vor dem Hintergrund ihrer Kolonialgeschichte) und die EU ausreichend dafür, dass die Menschen ihre Heimat nicht vor Hunger und Perspektivlosigkeit verlassen müssen? Schotten wir uns in Europa nicht durch Zölle und Handelshemmnisse so stark ab, dass eine afrikanische Exportwirtschaft sich überhaupt nicht entwickeln kann? Durch Exporte nach Afrika werden Märkte dort mit gebrauchter billiger Bekleidung und minderwertigen Fleischprodukten überschwemmt, so dass die heimische Wirtschaft stark geschädigt wird. Wie weit sind wir in Europa für die Flucht so vieler Menschen also mitverantwortlich? Die Lage im Mittelmeer, die täglich viele Menschen mit ihrem Leben bezahlen ist untragbar, widerspricht den humanitären Grundgedanken einer zivilisierten Welt und ist mit einem christlichen Verständnis von Hilfe für Menschen in Not nicht vereinbar. Was können/müssen wir an dieser Situation ändern?
„Ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so kann das Engagement der Ehrenamtlichen und der Integrationslotsen in Anbetracht der oben beschriebenen Gesamtproblematik vielleicht beschrieben werden. Ohne sie würden aber die Probleme vieler Zuwanderer und Flüchtlinge noch viel größer sein, die Integration noch langsamer und mühevoller verlaufen.
Das Fazit der Veranstaltung lautet: wir machen weiter, achten dabei stärker auf uns selbst und vermeiden Überforderungen, thematisieren stärker die Ursachen der Migration etwa in Diskussionen mit Abgeordneten auf allen Ebenen und setzen uns weiterhin kritisch konstruktiv mit den lokalen Ämtern und Behörden hinsichtlich einer humanen und effektiven Integrationspolitik auseinander.
Der Verein „Willkommen im südlichen Emsland – Integrationslotsen e. V.“ wurde im März 2016 in Lingen gegründet. Zweck des Vereins ist es, Zuwanderer bei der Integration zu begleiten und zu unterstützen.